Die Fee gilt als eine der Lichtgestalten unter den fantastischen Wesen. In ihr können sich Schönheit, nahezu ewige Jugend und magische Kräfte vereinen und sie steht auf der Seite des Guten.
Die Fee – Lichtgestalt mit Schattenseiten
In Märchen helfen diese Feen den Rechtschaffenen und Gütigen und erfüllen Wünsche. Sie werden mit der Natur in Verbindung gebracht, lieben Tanz und Musik und „versinnbildlichen mit ihrem Wesen das gute Prinzip“.1) Doch diese positiven Zuschreibungen treffen nicht immer zu. Es gibt auch dunkle, rachedurstige und gefährliche Feen. Diese fügen mit ihrer Magie Menschen gehörigen Schaden zu, sprechen Flüche aus, verwandeln oder entführen sie oder bringen sogar den Tod. Und manchmal sind das Gute und das Unheilvolle in einer Fee verschmolzen.
Die Figur der Fee fasziniert. Und sie hat Konjunktur, sei es im Kinderbuch, in der Fantasy-Literatur oder im Film. Insbesondere Mädchen lassen sich von den magischen Heldinnen, die oft im Verbund mit Einhörnern, Mondschein und Blumenzauber auftreten, in Traumwelten entführen.
Frauen, die das Schicksal beeinflussen
Die Macht dieser Frauen – und in Märchen sind es zumeist Frauen – beruht weniger auf gesellschaftlichem Rang als auf Zauberkraft, mit der sie das Schicksal wenden. Der Begriff ‚Fee‘ soll auf das lateinische Wort Fata – Schicksal – zurückgehen und sich im Mittelalter im Französischen schließlich zu „fée“, im Englischen zu „Fairy“ gewandelt haben.2) Im Deutschen entstand „fei“ als Vorläufer des Wortes Fee. Davon abgeleitet ist der Ausdruck „gegen etwas gefeit sein“. Er bedeutete, dass jemand geschützt und unverwundbar wird mithilfe von Feenzauber oder auch, dass er sich vor der Zauberkraft der Feen schützen kann.“3)
Zahlreiche Märchen erzählen davon, wie schicksalhaft das Eingreifen von Feen für Menschen sein kann (s.u.). Besser, man verscherzt es sich nicht mit ihnen …
Feengeschichten werden seit Jahrhunderten erzählt. Manche Regionen wie Irland oder Schottland verfügen über eine reichere Feen-Tradition als andere.4) Dabei hat sich die Vorstellung davon, was Feen überhaupt sind, über welche Machtfülle sie verfügen und wie sie aussehen im Laufe der Zeit gewandelt und unterscheidet sich in verschiedenen Kulturkreisen. In Märchen und Erzählungen des Mittelalters besitzen sie meist menschliche Größe und Gestalt. Berühmtes Beispiel sind die Feen aus der Artus-Sage wie Morgan le Fay, die Halbschwester Königs Artus, oder die Feen aus französischen Märchen. Bisweilen heiraten sie sogar einen Menschen. Später herrscht immer häufiger die Vorstellung von kleinen, geflügelten Wesen vor. Auch sind die Grenzen zwischen Feen und Elfen fließend und die Begriffe werden oftmals gleichbedeutend verwendet.
Das Feenreich
In Geschichten aus dem keltischen Raum leben weibliche und männliche Feen – diese heißen dann ‚Feeriche‘ – oft in eigenen Gesellschaften mit Königinnen und Königen an der Spitze. Diese ‚Anderswelt‘ ist eine geheimnisvolle Parallelwelt, zu der Menschen für gewöhnlich keinen Zutritt erhalten. Sie liegt oft in einem Hügel (Feenhügel), in Grotten, im Wald oder an Gewässern verborgen. Dort läuft die Zeit langsamer. Feen besitzen unvorstellbare Reichtümer und Schätze. Gerät ein Mensch gewollt oder ungewollt ins Feenreich, kehrt er, wenn überhaupt, verändert zurück. Psychoanalytiker wie C. G. Jung deuten den Besuch eines Menschen in der Feenwelt als „Abstieg des Ich in die unbewussten Regionen der Psyche.“5)
So unterschiedlich die Vorstellungen von Feen sind, so verschieden und breit gefächert sind Märchen und Geschichten, in denen Feen mitmischen. Hier ein kleiner Literatur-Streifzug durch bekannte und weniger bekannte Märchen, in denen eine oder mehrere Feen eine Schlüsselrolle spielen.
Ein Streifzug: Märchen mit Feen in Schlüsselrollen
1. Die Abenteuer des Pinocchio von Carlo Collodi
Der arme Zimmermann Gepetto staunt nicht schlecht, als sein neuestes Schnitzwerk – eine Marionette – zum Leben erwacht. Die Holzpuppe Pinocchio möchte die Schule besuchen und wünscht sich, ein Menschenjunge zu werden. Doch es stellen sich immer wieder Hindernisse in seinen Weg: Er geht falschen Freunden auf den Leim oder gerät auf andere Abwege, sodass sich sein Wunsch erst nach zahlreichen Rückschlägen erfüllt. Mehrfach rettet ihm die schöne Fee mit dem azurblauen Haar das Leben, hilft ihm auf den richtigen Pfad zurück und übernimmt am Ende die Mutterrolle für den Jungen.
Der Italiener Carlo Collodi schrieb diesen Kinderbuch-Märchenklassiker zwischen 1881 und 1883 als Serie für eine Wochenzeitschrift. Sie wurde schließlich in einem Buch zusammengefasst.6)
2 Aschenputtel oder das gläserne Pantöffelchen von Charles Perrault
Feen spielen in der französischen Märchentradition eine bedeutende Rolle. Der Begriff ‚Märchen‘ lautet im Französischen ‚Contes de fées‘ (Feenmärchen). In der Aschenputtel-Variante von Charles Perrault (original: Cendrillon ou la Petite Pantoufle de Verre) übernimmt eine gute Fee die Rolle der Beschützerin:
Aschenputtel, von der Stiefmutter und den zwei Stiefschwestern schlecht behandelt, darf nicht mit zum Ball des Prinzen fahren. Doch ihre Patin, die sich als Fee entpuppt, erkennt die Misere des Mädchens und verhilft ihm zu seinem Glück. Aus einem Garten-Kürbis zaubert sie eine prächtige Goldkutsche, aus sechs Mäusen und einer Ratte ein passendes Pferdegespann mit Kutscher. Außerdem bekommt Aschenputtel herrliche Kleider und gläserne Schuhe an den Leib gezaubert, mit denen sie zum Ball fährt. Die Fee stellt aber eine Bedingung: Aschenputtel muss jeden Abend vor Mitternacht den Ball verlassen, sonst fliegt der Zauber auf. Das Mädchen gewinnt das Herz des Prinzen und verliert einen Schuh, anhand dessen der Prinz sie wiederfindet.
Der Schriftsteller Charles Perrault stand einige Jahre im Dienste Ludwigs XIV. Im Jahr 1697 veröffentlichte er seine Märchensammlung. Märchen wie ‚Aschenputtel“ oder „Der gestiefelte Kater“ wurden von den Brüdern Grimm adaptiert.
3 Dornröschen von den Brüdern Grimm
Dornröschen ist von seinem Ursprung her ein Feenmärchen. Es fand seinen Weg in die Sammlung von Charles Perrault und wurde von den Brüdern Grimm gekürzt und mit anderem Ende aufgenommen. In der ersten Auflage der Kinder- und Hausmärchen (1812) wurden die Feen aus Dornröschen noch Feen genannt. Ab der zweiten Auflage ist stattdessen von den „weisen Frauen“ die Rede. Die Grimms haben in den Kinder- und Hausmärchen das Wort „Fee“ ersetzt durch Begriffe wie „weise Frau“ oder „Zauberin“.8)
Ein Königspaar veranstaltet zur Geburt der lang ersehnten Tochter ein Fest. Obwohl dreizehn Feen im Land leben, lädt es nur zwölf ein, denn für mehr reicht das goldene Geschirr nicht. Ein verhängnisvoller Fehler! Als die anwesenden Feen ihre Segenswünsche an das Kind übermitteln, erscheint unverhofft die dreizehnte Fee und verflucht die Tochter aus Rache: Sie soll sich in ihrem 15. Lebensjahr an einer Spindel stechen und sterben! Zu Dornröschens Glück hat die zwölfte Fee ihren Segenswunsch noch „übrig“ und mildert den Fluch zu einem hundertjährigen Schlaf. Es kommt wie prophezeit: Dornröschen sticht sich und fällt mitsamt der ganzen Dienerschaft in Tiefschlaf. Das Schloss wird überwuchert von einer undurchdringlichen Dornenhecke, in der einige Prinzen ihr Ende finden. Erst nach Ablauf der hundert Jahre lässt die Hecke, nun voller Blumen, einen Prinzen hindurch, der Dornröschen – Sie wissen schon – wachküsst und heiratet.
Wenn man bedenkt, wie sehr sich die Welt in hundert Jahren verändert, ist das schon ein wirkmächtiger Feenzauber!
4 Die Schöne und das Tier von Jeanne-Marie Leprince de Beaumont
In dieser bekannten Fassung des Volksmärchens spielen zwei Feen eine Rolle. Eine „angesehene“ Fee belohnt die Gutherzigkeit der Heldin und trägt dazu bei, den Fluch einer anderen Fee, die den Prinzen einst in das Tier verwandelt hat, zu brechen. Sie bestraft aber auch mit ganzer Härte die Intrigen der Schwestern. Ihre Machtfülle erinnert fast an die der alten griechischen Göttinnen.
Belle ist die jüngste Tochter eines verarmten Kaufmanns, der sich im Wald vor einem Unwetter in ein menschenleeres Schloss rettet. Dort wird ihm wie von Zauberhand Gastfreundschaft gewährt. Doch mit dem Pflücken einer Rose zieht er den Zorn des Schlossherrn auf sich, eines Biests in abstoßender Tiergestalt. Es verlangt zur Strafe das Leben des Kaufmanns oder das einer seiner Töchter. Als einzige der drei Schwestern zieht Belle in das Schloss. Dort erkennt sie mit der Zeit, dass das Biest großzügig und liebenswert ist. Im Traum erscheint ihr mehrmals eine Fee, die Belles gutes Herz lobt und ihr schließlich anzeigt, dass das Biest im Sterben liegt. Belle eilt herbei und erlöst mit ihrer Liebe das Biest von einem Fluch, den eine andere Fee vor Zeiten ausgesprochen hatte. Es verwandelt sich in einen Prinzen zurück. Belles Fee zaubert (mit Zauberstab) das Brautpaar und Belles ganze Familie in das Königreich des Prinzen, wo sich das Paar vermählt und den Thron besteigt. Belles Schwestern hingegen straft sie für ihre Boshaftigkeit und verwandelt sie in fühlende und denkende Skulpturen am Schlosseingang, die Belles Glück ansehen müssen.9)
Jeanne-Marie Leprince de Beaumont veröffentlichte ihre Version im Jahr 1756. In Frankreich gehörte sie zu einer Reihe von Schriftstellerinnen, die seit dem 16. Jh. Märchen schrieben und die Feenmärchen prägten.
5 Peter Pan von J.M. Barrie
Eine andere Art von Fee, ausgestattet mit Flügeln und Feenstaub, erschuf der schottische Schriftsteller J. M. Barrie in der Geschichte von Peter Pan. Tinker Bell (Glöckchen) sieht aus wie ein Mädchen, ist klein wie eine Menschenhand und umgeben von einem Lichtschein. Sie schwirrt so schnell durch die Luft, dass ihre Gestalt kaum auszumachen ist. Ihre Sprache – die Sprache der Feen – klingt in Menschenohren wie liebliches Glöckchenbimmeln.
Tinker Bell (Glöckchen) ist die Gefährtin von Peter Pan, einem Jungen, der nie erwachsen werden will. Sie leben auf der Märcheninsel Nimmerland. Eines Nachts fliegen sie in das Haus der Darling-Familie in London und bringen das Mädchen Wendy, und ihre Brüder nach Nimmerland. Die kleine Fee ist eifersüchtig auf Wendy und versucht anfangs, sie in einen tödlichen Hinterhalt zu locken. Tinker Bell kann sowohl gut als auch böse sein, schreibt Barrie. Da Feen „so klein sind, haben sie leider immer nur Platz für ein Gefühl“. „Sie dürfen sich aber verändern, nur muss es eine vollständige Veränderung sein.“10) In Nimmerland geraten die Kinder in Kämpfe mit dem gefährlichen Piraten Captain Hook. Tinker Bell findet auf die gute Seite und verhindert, dass Peter vergiftet wird. Am Ende, nachdem die Piraten besiegt sind, bringen Peter und Tinker Bell die Kinder wieder nach Hause und kehren nach Nimmerland zurück.
J.M. Barrie schrieb Peter Pan 1904 zunächst als Theaterstück und später als Buch.
6 Prinz Achmed und die Fee Peri Banu aus Tausendundeiner Nacht
Auch Märchen aus dem Orient kennen Geschichten mit Feen.
Prinz Achmed ist der jüngste dreier Neffen eines indischen Sultans. Alle drei werben um die Hand seiner Tochter, der Prinzessin. Um zu ermitteln, wer sie heiraten soll, stellt der Vater den Neffen Aufgaben. Die erste Aufgabe, die Suche nach besonders wundersamen Gegenständen, erfüllen die drei Brüder gleichermaßen gut. Bei der nächsten Aufgabe, Bogenschießen, gelingt Achmed zwar der weiteste Schuss, aber sein Pfeil ist unauffindbar. Daher wird der mittlere Bruder zum Sieger erklärt und heiratet die Prinzessin. Achmed macht sich auf die Suche nach dem Pfeil und gelangt ins Reich der Feen. Dort begegnet er der wunderschönen Fee Peri Banu. Wie sich herausstellt, hat sie den Pfeil hierher gelenkt. Der Prinz und die Fee verlieben sich und heiraten. Doch ihr Glück wird durch Intrigen am Hof des Sultans bedroht. Mithilfe von Peri Banus magischen Kräften überwindet das Paar alle Hindernisse und folgt schließlich dem Sultan auf den Thron.11)
7 Der Zwerg Nase von Wilhelm Hauff
Feen sind immer schön? Mitnichten …
Den zwölfjährigen, hübschen Jakob trifft ein Feenfluch, nachdem er sich am Marktstand seiner Mutter mit einer unangenehmen Kundin anlegt. Es ist die Fee Kräuterweis in Gestalt einer abstoßend aussehenden Frau. Sie zerwühlt die Auslagen und lässt sich dann von Jakob die gekauften Waren nach Hause tragen. Dort lebt sie in Reichtum und lässt sich von Schlittschuh fahrenden Eichhörnchen und Meerschweinchen bedienen. Unter dem Fluch der Fee wird Jakob in einen Traumzustand versetzt, dient ihr als Eichhörnchen sieben Jahre lang und lernt dabei die Kunst des Kochens. Schließlich erwacht er, entkommt und sieht sich in einen hässlichen Zwerg verwandelt. Seine Eltern erkennen ihn nicht mehr. Jakob findet Arbeit als Koch bei einem Herzog und beeindruckt durch seine Kochkünste. Er freundet sich mit der Zauberertochter Mimi an, die einst von einer Fee in eine Gans verwandelt wurde. Mit ihrer Hilfe entdeckt er das Kraut, das seinen Fluch bricht, und erlangt seine eigentliche Gestalt zurück. Jakob verhilft Mimi zu ihrer Erlösung. Er lebt glücklich bis an sein Lebensende. 12)
Der deutsche Schriftsteller Wilhelm Hauff schrieb eine Reihe von bekannten Märchen. Der Zwerg Nase erschien in seiner Märchensammlung von 1826.
Autorin: Natascha Wickerath
Quellen, weiterführende Literatur und Märchenausgaben:
1) Brunamaria dal Lago Veneri: Basilisken, Einhörner und Sirenen – Panoptikum der fantastischen Wesen, S. 68, Folio Verlag Wien 2019
2) Vgl. Andreas Gößling: Feen und Elfen, S. 362, Knaur Verlag 2004
3) vgl. dal Lago Veneri, 2019, S. 67/68 und
DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, Begriff: gefeit, Hrsg. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, https://www.dwds.de/wb/gefeit, abgerufen 22.10.2024
4) Vgl. Gößling, 2004, S. 13
5) Vgl. Gößling, 2004, S. 360
6) Carlo Collodi: Pinocchio, Knesebeck Verlag 2014, neu übersetzt von Gundula Müller-Wallraf
7) Charles Perrault: Aschenputtel oder Das gläserne Pantöffelchen, in Projekt Gutenberg: https://www.projekt-gutenberg.org/perrault/maerchen/chap001.html
8) Walter Filz: „Aber es gab nur 12 goldene Teller“ – Die Fee, Deutschlandfunk Kultur, 25.12.2012, https://www.deutschlandfunkkultur.de/aber-es-gab-nur-12-goldene-teller-die-fee-100.html, abgerufen am 22.10.2024;
Wikipedia: Grimms Märchen, Abschnitt: Weitere Auflagen, https://de.wikipedia.org/wiki/Grimms_M%C3%A4rchen#Weitere_Auflagen, abgerufen: 22.10.2024
9) Jeanne-Marie Leprince de Beaumont: Die Schöne und das Biest, esslinger Verlag 2005
10) James M. Barrie: Peter Pan, Chapter IV: The Flight, eBook auf The Project Gutenberg, 1991, https://www.gutenberg.org/files/16/16-h/16-h.htm
11) Märchen aus 1001 Nacht, Gondolino GmbH, Text nach Paul Benndorf, bearbeitet von Wilhelm Mennerich, 2013, S. 99ff.
12) Wilhelm Hauff: Märchen, Verlag Carl Ueberreuter; 1970, S. 61 ff